SC Victoria Hamburg von 1895 e.V.
Wer zur Hölle ist eigentlich der SC Victoria Hamburg?!
Das fragen sich sicherlich viele, daher lassen wir hier einmal in aller Ausführlichkeit die doch recht lange Historie des Vereins Revue passieren:
1895 – 1920
Gegründet wurde der Verein im Jahre 1895 unter dem Namen „Fußball-Club Victoria von 1895“ (FCV) von Schülern umliegender Schulen in der Nähe des Millerntors – damals ein großes Wagnis, denn bei Eltern, Lehrern und den Schulen galt der Fußballsport als verpönt. Fünf Jahre später kam es zu einer weiteren Gründung: In Leipzig entstand der DFB – die Initiative davon ging u.a. vom Repräsentanten des Hamburger Fußballs aus: Walter Sommermeyer, Verteidiger bei Victoria.
Fußballerisch konnte der Verein im gleichen Jahr das erste Mal gegen eine auswärtige Mannschaft spielen: Eintracht Braunschweig wurde mit einem 3:1 nach Hause geschickt. In den kommenden Jahren etablierte Victoria sich in der Spitze des Hamburger Fußballs: 1905 wurde der Verein das erste Mal Hamburger Fußballmeister, ein Jahr später unterlag man allerdings bei den Spielen um die Deutsche Meisterschaft Union Berlin in der Vorrunde mit 1:4. Der erste Nationalspieler aus Hamburg spielte ebenfalls für Victoria: 1908 wurde Hans Weymar in die Mannschaft des Kaisers berufen. Und er sollte nicht der einzige bleiben, insgesamt brachte Victoria 11 Nationalspieler hervor.
Da die Spiele bisher an verschiedenen Stellen in Hamburg ausgetragen wurden, suchten die Vereinsverantwortlichen nach einem Ort, wo ein eigener Sportplatz für den Verein entstehen konnte: 1907 schließlich wurden sie fündig und es begann der Bau des Sportplatzes „Hoheluft“, bei dem alle Vereinsmitglieder fleißig mithalfen. Erst 1911 hatte Victoria aber genügend Geld für den Bau einer richtigen Tribüne zusammen, es entstand so die erste überdachte Tribüne Norddeutschlands mit 1.000 Sitzplätzen und einem Unterbau aus Holz für Umkleidekabinen und Sanitäreinrichtungen. Eingeweiht wurde sie mit einem Spiel gegen Altona 93, das 4:2 endete. Noch im gleichen Jahr fand auf der Anlage auch das erste Fußball-Länderspiel Hamburgs statt: 7.000 Zuschauer sahen eine 1:3-Niederlage Deutschlands gegen Schweden.
Mittlerweile wurde der Verein aus ‚Pietätsgründen’ umbenannt, denn in der neu entstandenen Tennis-Abteilung gab es auch das erste Mal weibliche Mitglieder, denen nicht zugemutet werden sollte, in einem ‚Fußball-Club’ zu spielen. Aus diesem Grund änderten die Vereinsbosse 1908 den Namen in „Sport-Club Victoria von 1895 e.V.“.
1920 – 1945
1921 kam es dann zur Katastrophe: Durch einen Brand – ausgelöst durch Stadtstreicher – wurde die Tribüne komplett zerstört, ein Wiederaufbau gelang dank immenser Unterstützung durch Spenden aber schon ein Jahr später. Dieses Mal war der Unterbau aus Beton und die Kapazitäten wurden gleich miterhöht: Das Einweihungsspiel gegen den Deutschen Meister HSV (1:2) sahen 15.000 Zuschauer, ein Jahr später kam es zu einem erneuten Ausbau des Stadions auf 23.000 Plätze.
Doch leider wurde das Stadion nicht nur zum Fußballspielen genutzt: So hielt im Jahre 1932 Adolf Hitler hier vor 50.000 Menschen eine seiner Wahlkampfveranstaltungen ab. Es folgten schlechte Zeiten – nicht nur für Deutschland, sondern auch für den Verein: Nach der ‚Gleichschaltung’ und der Aufteilung in Gaue konnte sich Victoria als 7. der Norddeutschen Oberliga nicht für die ‚Gauliga’ qualifizieren und musste das erste Mal in der Vereinsgeschichte zweitklassig spielen. Auch finanziell stand es sehr schlecht um den Verein – damit waren sie allerdings nicht allein, denn auch dem HSV ging es zu diesem Zeitpunkt nicht sehr gut. Daher traten die Vereinsverantwortlichen des HSV im September 1933 mit der Bitte an den SCV heran, ob man nicht beide Vereine zusammenlegen könne. Die Verhandlungen liefen sehr gut, bis die Männer zum Thema ‚Vereinsnamen’ kamen: „Hamburger Sportverein Victoria“ passte den HSV-Verantwortlichen nicht – zu groß die Angst, das ‚HSV’ könne allmählich in den Hintergrund treten. Einen Vereinsnamen ohne „Victoria“ konnten dagegen die Verantwortlichen des SCV nicht dulden, sodass der Zusammenschluss schließlich platzte. Glück gehabt…
Sportlich ging es danach wieder aufwärts: So konnte 1937 der Liga-Spitzenreiter HSV mit 2:1 vor 14.000 Zuschauern geschlagen werden, 1938 wurde zuerst Bayern München mit 6:1 „abgewatscht“, anschließend warf man Schalke 04 mit 4:3 aus dem Pokalwettbewerb.
1945 – 2000
Der Zweite Weltkrieg verschonte dann zwar die Tribüne, dafür war der Rest des Platzes ein einziger Trümmerhaufen und das Spielfeld übersäht mit Bombentrichtern. Im Zuge des Wiederaufbaus wurde noch einmal das Fassungsvermögen erhöht, sodass 1948 beim Endspiel um die Zonenmeisterschaft zwischen dem HSV und St. Pauli die Rekordzahl von 37.000 Zuschauern erreicht wurde. Auch wenn das Stadion heutzutage nicht mehr ganz so viele Leute fasst, ist die Holztribüne die älteste in Norddeutschland!
Nach dem Krieg begann der langsame sportliche Niedergang des Vereins: 1948 stieg man aus der neu geschaffenen Fußball-Oberliga Nord (1. Liga) ab, um 1951 dann doch das erste Mal den Sprung in den bezahlten Profifußball zu wagen. Nach nur einem Jahr scheiterte dieses Wagnis jedoch und trotz diverser Meisterschaften im Amateurfußball in den nächsten Jahren wurde jedes Mal der Aufstieg verpasst. 1963, mit Gründung der Fußball-Bundesliga, schaffte Victoria zwar den Sprung in die neue Regionalliga Nord (2. Liga), konnte sich aber dort nicht durchsetzen, sodass es in den folgenden Jahren immer weiter nach unten ging. Zusätzlich verlor man 10.000 Plätze des Stadions an den Ausbau der Straße Lokstedter Steindamm und das Krankenhaus UKE nebenan, sodass die magische Marke von 10.000 Zuschauern letztmalig in einem Spiel gegen Altona 93 im Jahre 1963 erreicht werden konnte.
Schlagzeilen machen konnte Victoria (seit einer erneuten Umbenennung 1975 als „Sport-Club Victoria Hamburg von 1895 e.V.“ geführt) nur noch durch Spieler: So spielte Walter Junghans in seiner Jugend für den Verein und wurde 1975 in die Nationalmannschaft der Fußballjugend berufen, bevor er 1977 zum FC Bayern München wechselte. Dort wurde er nach Sepp Maier Stammtorwart und zwei Mal Deutscher Meister und Pokalsieger.
Auch Stefan Effenberg spielte für den SC Victoria, bevor er seine Bundesligakarriere 1987 bei Borussia Mönchengladbach begann.
2000 – heute
Zu sportlichen „Höhenflügen“ setzte der SCV erst im neuen Jahrtausend wieder an: So gewann der Verein in der Saison 2006/2007 den Hamburger Pokal (damals Oddset-Pokal) und wurde Meister der Hamburg-Liga. Zwar endete das Gastspiel im DFB-Pokal in der folgenden Saison nach nur einem Spiel mit einem 0:6 gegen den 1. FC Nürnberg, aber die Spieler konnten 2007/2008 erneut die Hamburger Meisterschaft an die Hoheluft holen. In der Relegation um den Aufstieg in die neue Regionalliga Nord schlug man sich zwar beachtlich, zog letztlich jedoch den Kürzeren gegenüber den Geld-Profis vom FC Oberneuland.
In der Saison 2008/2009 errang der SCV dann allen Unkenrufen zum Trotz die dritte Meisterschaft in Folge, allerdings langte es erneut nicht für den Aufstieg in die Regionalliga. Dieses Mal scheiterte der Verein allerdings nicht sportlich, sondern an den Auflagen des DFB, sodass die Vereinsverantwortlichen die Notbremse zogen und die Bewerbung um die Lizenz zurückzogen.
Auch in der Saison 2009/2010 spielte der Verein ganz oben mit – es folgte Meisterschaft Nummer 4 -, aber erneut wurde es nichts mit dem Aufstieg. Zusätzlich wurde in diesem Jahr allerdings erneut der Hamburger Pokal gewonnen, sodass Blau-Gelb in der ersten Runde des DFB-Pokals mitspielen durfte. Aus dem anfänglichen Lospech entwickelte sich letztlich der größte Erfolg der letzten Jahre für den Verein: In der 1. DFB-Pokalrunde traf der SCV auf den Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen, der am 15.08.2010 sensationell durch ein Freistoßtor von Stephan Rahn aus dem Wettbewerb gekegelt wurde. In der zweiten Runde des DFB-Pokals wurde Blau-Gelb dann der Bundesligist VfL Wolfsburg zugelost – für dieses Spiel war aufgrund der unzureichenden Flutlichtanlage an der Hoheluft ein Umzug ans Millerntor in die Heimat des FC St. Pauli notwendig. Vor knapp 9.000 Zuschauern zog sich Victoria beachtlich aus der Affäre: Zwar setzte es am 26.10.2010 eine 1:3-Niederlage, aber immerhin ließ Stephan Rahn erneut alle Anhänger des SCV nach seinem Tor jubeln. Nach diesem Ausflug in die professionellen Gefilde des Fußballs stand dann wieder der harte Liga-Alltag auf dem Programm, wo man nur sehr schwer in Tritt kam und die Titelverteidigung in der Saison 2010/2011 schnell vergessen konnte. Auch im Oddset-Pokal war bereits im Viertelfinale Schluss, sodass es nach einigen Jahren Höhenflug nun keinen Titel an der Hoheluft zu feiern gab.
Das änderte sich in der Saison 2011/2012 dann aber sofort wieder, auch wenn die zum großen Teil runderneuerte Mannschaft samt neuem Trainer Lutz Göttling zunächst große Schwierigkeiten hatte, in Tritt zu kommen. Noch zur Winterpause lag man aufgrund von großem Verletzungspech fast aussichtslos im Rennen um die Meisterschaft und einen möglichen Aufstieg in die neu formierte Regionalliga Nord zurück. Erst das Winter-Trainingslager auf Mallorca und eine anschließende Aufholjagd (in der Rückrunde wurde nur ein Spiel verloren, ansonsten gab es nur Siege und ein einziges Unentschieden) brachten die Wende und die fünfte Meisterschaft in den vergangenen sechs Jahren. Und auch im Oddset-Pokal stellte sich der Erfolg wieder ein, der SCV gewann das „Finale bi uns to hus“ vor sensationellen 4.443 Zuschauern gegen Germania Schnelsen und durfte sich im DFB-Pokal wieder einmal mit den Großen messen. Und so war am 18.08.2012 der Bundesligist SC Freiburg zu Gast an der Hoheluft, gegen den man zwar mit 1:2 ausschied, sich dabei aber achtbar aus der Affäre zog.
In der Saison 2012/2013 spielte der SC Victoria erstmalig in der reformierten Regionalliga Nord, wo die Mannschaft sich auch außerhalb unserer schönen Hansestadt präsentieren durfte. Dabei stand eine Vermeidung des sofortigen Wiederabstiegs ganz oben auf dem Zettel und es hieß zittern bis zur wortwörtlich allerletzten Minute. Nur dank der Insolvenz von Oberneuland und dem Sieg des VfB Oldenburg im letzten Spiel gegen den SV Wilhelmshaven gelang der Nichtabstieg. Parallel dazu konnte einmal mehr der Hamburger Pokal gegen den FC Elmshorn gewonnen werden. Das war allerdings ein hartes Stück Arbeit, erst in der Verlängerung konnten die widerspenstigen Vorstädter mit 2:1 besiegt werden. Das entscheidende Tor schoss der spielender Co-Trainer Roger Stilz, der anschließend seine Karriere beendete und als Co-Trainer zum HSV wechselte. Am 04.08.2013 begrüßte der SCV vor ausverkauftem Haus schließlich den Bundesligisten Hannover 96 in der ersten Runde des DFB-Pokals, dem man nach einem hart umkämpften Spiel mit 0:2 unterlag.
Damit war dann auch die erfolgreiche Phase des Vereins wieder zu Ende, denn am Ende der Spielzeit 2013/2014 musste man nach teilweise horrenden Niederlagen und desolaten Auftritten den Gang zurück in die Oberliga antreten, wo mit der TuS Dassendorf mittlerweile ein wenig ambitionierter, aber mit viel Geld ausgestattete Verein seine Kreise an der Spitze der Liga drehte und Meisterschaft um Meisterschaft in die Peripherie Hamburgs holte. Auch im Pokalwettbewerb hat der SC Victoria seither nicht mehr gerissen, sodass die Saisons aktuell von Mittelmäßigkeit und wenig Ambitionen geprägt sind. Es geht ohnehin nur um die goldene Ananas.
Wer noch mehr wissen will: