Ultras?

Ultras?

Wir sind keine richtigen Ultras. Das stimmt. Weniger weil wir die Idee hinter Ultrà ablehnen, sie für etwaige Terrorzellen oder das diabolische Böse schlechthin halten, sondern vielmehr, weil wir als Gruppe Kategorien ablehnen. Kategorien, die uns in einen bestimmten Verhaltens- und Darstellungskanon pressen, der unser Verhältnis zu Verein, Staat, Polizei, zu anderen Clubs, Gruppen oder Fans bereits vordefiniert und wir ein bestimmtes Image nur noch reproduzieren müssen. Ultrà ist viel zu einfach geworden!

Natürlich ist vieles an Nordkaos der Subkultur Ultras entlehnt. Für einige sogar so viel, dass sie den kleinen aber feinen Unterschied gar nicht mehr wahrnehmen können. Natürlich auch, weil wir in unserer mehrjährigen Gruppengeschichte immer wieder mit dem Begriff Ultras gespielt haben. Mal ernster, mal weniger ernst, mal intellektuell, abstrakt, mal verkehrt und verquert. Wir fühlen uns der Subkultur zugehörig, ebenso, wie wir uns Lichtjahre entfernt wähnen. Es gibt so viel, was auch maßgeblich für Nordkaos ist und so viel, was uns entsetzlich eingrenzen und lähmen würde. ‚Würde‘, weil wir uns entschlossen haben, nur die Facetten auch wirklich auszuleben, die zu uns und unserer kleinen, aber feinen Kurve passen. Wir wollen auch in der Art, wie wir unsere Gruppe 24/7 leben, die Freiheit genießen, selbst und völlig fern von äußeren Vorgaben und Ansprüchen der Ultras zu entscheiden. Wir haben kein Gesamtpaket gekauft, sondern stellen Nordkaos in allen Details selbst zusammen. Ultras Absurde eben…

Vor allem unser Verhältnis zur Gewalt wollen wir uns von keinem Trend vorgeben lassen. Das Argument, mit einer klaren Distanzierung als vogelfrei von allen Seiten attackiert zu werden, weisen wir von uns. Wenn jemand darin eine Einladung sieht, freuen wir uns einfach mal, dass es tatsächlich Personen gibt, die ihre eigene Männlichkeit noch unter Beweis stellen müssen.

Auch die Feststellung, dass Gewalt wohl zwangsweise zum Fußball dazu gehört, sprich immer dazu gehört hat, reicht uns argumentativ nicht aus. Nur weil das für alle anderen gilt, muss es ja noch lange nicht für uns gelten.

Neben der eskalierenden Gewaltschiene lehnen wir auch den ultra’-immanenten Reliquienkult ab. Zaunfahnen sind zwar zum Schmuck der Ränge eine hübsche Sache und ihr Verlust beraubt uns einiger Kosten und Mühe, doch sie zum einzig wahrhaften Träger unserer Gruppenidentität zu machen, wirkt trotz Wohlwollens ein wenig grotesk. Wenn andere sich wegen verlorener Fähnchen dennoch auflösen wollen, haben wir damit natürlich kein Problem!

Wenn wir schon so gut dabei sind, aufzuzählen, was wir ablehnen und was uns an Ultrà missfällt, können wir auch nicht anders, als die oftmals festen Hierarchien in den Gruppen zu bemängeln. Die Attraktivität der Szene für die Jugend verleiht ihr eine enorme Macht, den Nachwuchs zu beeinflussen und zu leiten. Natürlich ist es schön, wenn junge Menschen über ihre Gruppe für bestimmte Dinge, für Rassismen, sexistische Entgleisungen oder konsumkritische Belange sensibilisiert werden. Negativ aber wird es, wenn diese Einflussmacht der Älteren total verwahrlost dazu verkommt, einzelne Mitglieder wie bei den Lemmingen zu ermuntern, den Stil einer Gruppe schlicht immer wieder und wieder zu reproduzieren. Eigenständigkeit und Individualität sind uns sehr wichtig, wir geben keinen einheitlichen Stil, keinen Verhaltenskodex oder sonstige Gruppendogmatik aus. Nordkaos ist für uns ein offener Begriff, eine Gruppe, die sich entwickelt hat, ohne die Parameter der Entwicklung von vornherein festzusetzen. Dafür sind wir auch immer schon viel zu neugierig gewesen…

Unser Stil und unsere Richtung prallen also ganz offensichtlich an der Ultras-Realität ab, und wenn das, was wir wollen, nicht mehr Ultrà ist, dann ist es doch ganz klar, dann sind auch wir auch keine richtigen Ultras.

Aber was sind wir dann? Absurde Ultras. Absurde Ultras, denen es vor allem um Kreativität geht. Nicht um schlichtes Konsumieren. Asurde Ultras, die immer weiter fragen, die immer weiter gehen, sich immer wieder neu positionieren. Wir glauben, dass die Kraft unserer Idee in der Bewegung liegt und wollen vor allem das – und nicht sinnbefreites Posen und En-Vogue-Sein – unseren jungen Mitgliedern ans Herz legen.

Wir stecken unsere Ideen in den Verein, denn auf die Idee kommt es an…