Thema Stadionverbote

Thema Stadionverbote

Eigentlich hatten wir ja immer angenommen, wir würden von der Thematik für lange Zeit verschont bleiben, doch das war offensichtlich naiv… Also wird es Zeit, ein paar aufklärende Zeilen zu der Problematik zu verfassen, denn es ist davon auszugehen, dass das Gros der Menschen über das Thema und seine Zweischneidigkeit wenig weiß und völlig unreflektiert Forderungen stellt oder Sanktionen gutheißt – lediglich aus einer bloßen Ahnung heraus.

Also hier ein paar Nice Facts to Know:

1.)   Stadionverbote sind Maßnahmen gegenüber Gewalt ausübenden Fans: Richtig, so war es einmal gedacht. Letztlich ist es aber zur allumfassenden Strafmaßnahme, zu dem Zuchtinstrument der Fußballwelt schlechthin geworden. Während im Strafgesetzbuch den jeweiligen Straftaten entsprechende Strafmaße zugeordnet werden, bleibt es undefiniert, für genau welche Vergehen Stadionverbote, Ort und Dauer anzurechnen sind. Der Verhängende kann absolut willkürlich vorgehen. So ist es auch kein Wunder, dass durch diese Möglichkeit zur Pauschalverurteilung eben nicht nur Gewalttäter erfasst werden. Tatsächlich wird heute längst der Hauptanteil der Betroffenen wegen Lappalien ausgeschlossen: Aufkleber kleben, auf den markierten Aufgängen stehen, Spruchbänder präsentieren oder Banner aufhängen. Welcher aktive Fan kennt es denn nicht, dass selbst eine kleine Bemerkung gegenüber einem äußerst unsanft kontrollierenden Ordnungsdienstmitarbeiter zu der längst inflationär gebrauchten Drohung Stadionverbot führt?!

Schlimmer noch, wenn kritische Fans auf diese Art und Weise mundtot gemacht werden: Ungewollte Spruchbänder werden vom Verein aus verboten, das Bekunden der eigenen Meinung wird plötzlich zur Gefahr. Dabei werden die wenigsten Spruchbänder wegen gewaltverherrlichender oder extremer Inhalte untersagt, sondern aufgrund von Vereins-, Verbands- oder Medienkritik.

2.)   Stadionverbote sind rechtsmäßig: Denkste! Ein Stadionverbot kann präventiv verhängt werden. Die Unschuldsvermutung, auf die wir Demokratien so stolz sind und zum Inbegriff der Rechtstaatlichkeit stilisieren, gilt nicht! Für alle, die es noch nicht verstanden haben, hier noch mal: Ein Stadionverbot kann ohne Beweise, vor allem aber ohne Verfahren oder gerichtlicher Verurteilung verhängt werden. Die Beweislage muss nicht sichergestellt sein. Der Verurteilte hat in den meisten Fällen noch nicht einmal ein Anhörungsrecht. Ebenfalls ein Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Selbst nach Einstellung eines gerichtlichen Verfahrens muss ein Stadionverbot nicht aufgehoben werden. Der Willkür sind alle Türen und Tore geöffnet. Wir rühmen uns, ob unseres menschlichen Rechtssystems und setzen es dann ebenso aus wie die Amerikaner, wenn wir nur wollen…

3.)   Stadionverbote helfen gegen Gewalt im Fußball: Ganz im Gegenteil. Im Zuge der WM 2006 wurde die Vergabe von Stadionverboten forciert, ganz nach der Devise: Alles raus aus unseren Stadion, was auch nur irgendwie die Mission „Friede, Freude, Eierkuchenparty“ behindern könne. Sanktionen und Kontrollen wurden angehoben, Stadionverbote en masse verteilt und der Fußball gesäubert von allem Schädlichen.

Gewalt wurde bekämpft, mit allen Mitteln, doch gerade wer auch vorher schon auswärts gefahren ist, kann sicher bestätigen: Erst jetzt wurde die Gewalt im Fußball nach langer Pause wieder deutlich spürbar. Die Stimmung wurde aggressiver, der Frust über Schikanen und Willkür stieg ins Unermessliche. Selbst ganz normale Fans wurden in den Sog der Gewalt und Gegengewalt hineingezogen.

Käfige, Überwachungskameras, viele Hundertschaften, Demütigungen bei Kontrollen,  willkürliche Strafen und Schläge durch die dazu leider Legitimierten haben dem Fußball seine Leichtigkeit genommen und einen Großteil der Gewalt selbst mit angefacht.

Dabei nützen Stadionverbote nicht einmal, denn wenn der Fußballfan im Stadion noch im Blick ist, so wird er mit einem Stadionverbot quasi vor den Toren des Stadions allein und unbeaufsichtigt abgesetzt. Wer einmal ein Spiel draußen verbracht hat, weiß um die Langeweile und wundert sich nicht mehr, wenn ganze Gruppen von jungen Leuten umherstreifen, angriffs- und sensationslustig. Statt im Stadion zu singen, vielleicht auch mal über die Grenzen hinaus zu feiern, auf Zäunen oder mit Feuerwerk, vertreiben sich nun etliche die Zeit außerhalb, unbeaufsichtigt und tatsächlich unter dem Vorsatz der Gewalt.

Die Jungs bleiben nicht daheim, sie haben weiterhin ihre Freunde in der Gruppe, mit der sie zum Fußball gehen. Sie bezahlen Geld dafür, von Hamburg nach München zu fahren, für ein Spiel, das sie nicht einmal sehen dürfen und sie finden einen anderen Weg, sich für den Verein zu engagieren. Nicht selten, indem sie glauben, sich zumindest für ihn gerademachen zu können, wenn denn sonst nichts bleibt.

Stadionverbote gegen Gewalt? Mitnichten! Strafen und Abschreckung – haben noch nie genützt – würden auch die Bild-Redakteure wissen, wenn sie denn nicht ihr Studium vorzeitig abgebrochen hätten…

4.)   Wer sich nichts zu schulden kommen lässt… dem kann auch nichts passieren? Sagen viele, aber immer nur, bis es sie selbst trifft. Der Spruch der Dummen. Doch wenn es soweit ist, dann ist das Loch tief, in dem du sitzt und dich fragst, warum es keinen interessiert. Kann in Deutschland doch gar nicht möglich sein? Oh, es kann! Wie immer kommt es nicht auf deine Botschaft an, sondern auf die Position des Sprechers. Immer schon. Der Fußballfan hat keine Lobby, er kann nicht gehört werden. Er hat keine Lobby, das macht ihn zum Verbrecher.